
Auszeit
Lebenskraft tanken
Im Prämonstratenser-Chorherrenstift Geras kann man an Kreativkursen der Akademie oder an Fastenseminaren teilnehmen. Hier wirkt Kräuterpfarrer Benedikt, eine Begegnung mit ihm ist ein Erlebnis, das belebt und inspiriert.
Heute Abend komme ich wieder zum Chorgebet“, freudig begrüßt Klaus Kroth Kräuterpfarrer Benedikt Felsinger im Garten. Hier hat es sich der Teilnehmer des Fastenseminars mit einem Buch im Liegestuhl gemütlich gemacht. Breite Schultern, durchtrainierter Körper – der Lehrer aus Nordrhein-Westfalen wirkt auf den ersten Blick eher wie ein Bodybuilder, denn ein Fastender. In seinem strahlend weißen Habit, einen Sonnenhut auf dem Kopf, lässt sich Chorherr Benedikt im Liegestuhl neben ihm nieder und die Männer beginnen ein Gespräch.
„Wir Chorherren sind die Anlaufstelle für alle, die hier für einige Zeit bleiben und in irgendeiner Weise am Klosterleben teilnehmen wollen“, erläutert Kräuterpfarrer Benedikt. „Gerade beim Fasten öffnet man sich sehr für die verschiedensten Fragestellungen und ich versuche dann, den Menschen den einen oder anderen Aspekt für ihr Denken mitzugeben.“ Zum Beispiel die Tatsache, dass kein Lebewesen existieren kann, ohne dass ein anderes etwas von sich hergibt. Und dass Menschen und Heilpflanzen eine Gemeinsamkeit haben: so wie die Kräuter dort wachsen, wo ihr Samen hinfällt, kann sich auch das Kind nicht die Eltern aussuchen. Und diese Herkunft prägt es bis ins Erwachsenenalter. „Ich bin stolz, das Kind meiner Eltern zu sein. Die schmerzvollen Erfahrungen meines Vaters, der innerhalb von zwei Stunden aus seiner Heimat vertrieben wurde, sind auch ein Teil von mir. Aber es geht darum, wie man damit umgeht, was die Vorfahren erlebten, und was man davon mitnimmt.“
Die Liebe zur Natur hat Reinhold Felsinger, der nach der Matura unter dem Ordensnamen Benedikt ins Stift Geras eintrat, ebenfalls von seiner Familie mitbekommen. „Von klein auf war ich im Wald und Feld, die Natur war meine erste Lehrmeisterin. Mein Vater, der Lehrer und Jäger war, kannte jede Pflanze und jedes Tier und nahm mich mit auf den Hochsitz und zum Fischen. Beim Warten hatte ich viel Zeit zum Schauen. Nach und nach habe ich mein Wissen erweitert, das Gesamtpaket Natur fasziniert mich und ich lade die Menschen ein, mich beim Dazulernen zu begleiten.“ Sein Know-how fließt heute unter anderem in das Kräuterpfarrer-Zentrum, in die Produkte des Kräuterpfarrer-Shops und in das 2021 gegründete Kompetenzzentrum für traditionelle Medizin und Klostermedizin von Stift Geras. Ein breites Publikum erreicht Chorherr Benedikt mit seinen Büchern über Heilkräuter und seiner täglichen Kolumne in der Kronen-Zeitung, für die er demnächst den 5.000sten Beitrag schreibt.
Ob in den Texten oder im Gespräch – der Prämonstratenser erklärt nicht nur die Wirkung der einzelnen Kräuter, sondern öffnet dem Gegenüber auf seine liebenswürdige Art gleich einen ganzen Kosmos an Fragen und Antworten. „Für jeden Menschen gibt es genug Kräuter, damit er mit dem Leben besser zurechtkommt. So kommt in den Kräutern das Wohlwollen des Schöpfers gegenüber den Menschen zum Ausdruck. Gott hat die Natur für den Menschen vorbereitet, wie jemand, der alles für einen Besuch von Freunden schön herrichtet. Die Geschöpfe Gottes sind in eine bestimmte Ordnung hineingesetzt. Wenn man sich beispielsweise die Eingangshalle von Stift Geras anschaut, sie wurde um 1740 erbaut, diese Dimensionen und Proportionen der Mauern, die Schönheit vermitteln, Geschichte erzählen und irgendwie auch atmen. Hirn und Gefühl und Mathematik waren nötig, um dies zu erschaffen. Architektur, Theologie und Natur zeigen eine Ordnung, das richtige Lebensmaß ist auch für den Menschen wesentlich. Die großen Fragen des Lebens, die große Frage dieser Zeit – Wie kommen wir wirklich zum Frieden? – sind ganz eng mit der übergreifenden Ordnung, die in der Schöpfung ablesbar ist, verbunden. Wenn diese nicht eingehalten wird, wenn jeder immer etwas anderes, immer mehr haben will, kann es keinen Frieden geben.“
„Beim Fasten kann ich reinspüren, wohin der Weg gehen soll“
Der gebürtige Aschaffenburger Klaus Kroth, der heute in Köln als Lehrer arbeitet, hat mit dem Fasten bereits Erfahrung und nahm im Sommer 2024 am Klosterfasten im Stift Geras teil. „Als ich das erste Mal fastete, hatte das viele Gründe. Ich hatte viel Stress – beruflich und privat – und wünschte mir eine Auszeit, eine Möglichkeit, um loszulassen. Kloster und Fasten passen perfekt zusammen, man kann hier Spiritualität erleben. Das Erstaunlichste am Fasten ist, dass man über einen längeren Zeitraum sehr gut ohne feste Nahrung leben kann, ohne ständig das Gefühl zu haben, essen zu müssen. Beim Fasten kann ich in mich reinspüren, meine innere Stimme hören, wohin der Weg gehen soll. Ich bin im Grunde ein sehr kritischer Geist und habe mit dem Katholizismus viel Freud und Leid erlebt. Als Jugendlicher habe ich an nichts geglaubt, erst mit über 30 erkennt man, dass die Dinge nicht einfach so passieren. Dass der liebe Gott für mich eine Aufgabe hat, auch, wenn ich diese nicht so leicht finde. Ich bin ein Kopfmensch und denke oft viel zu viel. Der Rhythmus im Kloster, die Gesänge und Gebetszeiten tun mir sehr gut und helfen, runterzukommen. Ich hoffe, dass ich wieder viel von dieser Ruhe in meinen Alltag mitnehmen kann.“
Weitere Infos unter www.stiftgeras.at