
Auszeit
„Fasten ist erholsamer als Urlaub“
Alexander Graffi begleitet seit 2016 Menschen beim Klosterfasten im Stift Geras. Wir sprachen mit dem Fastenleiter über seine Erfahrungen und die Vorteile der Seminare.
Für wen ist Fasten geeignet?
Alexander Graffi: Für nahezu alle, die über 18 Jahre alt und gesund sind. Wir bieten Fasten für Gesunde an, nach der Buchinger/Lützner-Methode. Wenn jemand ständig Medikamente nimmt, muss vorab mit einem Arzt geklärt werden, ob Fasten möglich ist. Schwangere dürfen nicht fasten und jemand, der untergewichtig oder gar magersüchtig ist, ebenfalls nicht, da sind auch wir Fastenleiter gefordert, aufzupassen.
Welche Leute nehmen vor allem an den Fastenseminaren teil?
Alexander Graffi: Pro Kurs haben wir zwölf bis 16 Teilnehmende, der Altersdurchschnitt liegt bei 45 bis 55 Jahren. Zu Beginn waren es vor allem Frauen, aber nun sind es ebenso viele Männer, die fasten. Die Leute kommen aus allen Gesellschaftsschichten, sind beispielsweise Industrielle, Pflegekräfte, Lehrpersonen oder Schauspieler. Sie alle sind meist sehr gestresst und suchen einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen können und nichts machen müssen.
Wie sieht der Ablauf beim Klosterfasten aus?
Alexander Graffi: Unsere Seminare dauern zehn Tage und beinhalten sieben Fastentage. Am Freitag, dem Anreisetag, starten wir mit einer Einführung und einer Suppe mit Gemüse. Am Samstag gibt es einen Glaubersalz-Cocktail, der den Körper entleert. Das ist der Trick dabei, der ein Hungergefühl so gut wie verhindert. Dass man beim Fasten Hunger hat, ist eine absolute Ausnahme, auch, wenn das kaum jemand glaubt, der noch nie gefastet hat. Die Gruppe hat täglich zwei feste Treffpunkte: um 9 Uhr gibt es ein Glas frisch gepressten Saft und um 19 Uhr essen wir gemeinsam eine leere Gemüsesuppe. Wer will, kann an den Chorgebeten in der Kirche teilnehmen, vormittags steht Bewegung mit Spaziergängen, Wanderungen oder Gymnastik auf dem Programm. Den Nachmitag kann man nach Lust und Laune verbringen, im Stiftsgarten die Sonne genießen, Leberwickel für die Durchblutung machen, sich massieren lassen oder in den naheliegenden Bädern schwimmen gehen. Nach dem Abendessen setzen wir uns dann zu einer Gesprächsrunde mit einem zum Fasten passenden Thema zusammen. Der fünfte Tag ist ein Stille-Tag, an dem jeder komplett Zeit für sich selbst hat. Am Samstag wird das Fasten mit einem schönen Programm und einer Zeremonie im Kräuterzentrum von Kräuterpfarrer Benedikt sowie beim Besuch eines Biobauerns mit einem Apfel gebrochen. Abends genießen wir dann ein gemeinsames Abendessen, das meine Frau kocht. Nach dem Frühstück am Sonntagmorgen ist die Abreise.
Hunger beim Fasten ist eine absolute Ausnahme
Was raten Sie jemandem, der zum ersten Mal fastet?
Alexander Graffi: Nun, die schwierigste Entscheidung ist, es überhaupt zu probieren. Dann ist es leichter, als man glaubt und es tut so unglaublich gut und ist so erholsam – das ist das Faszinierende am Fasten. Ich selbst habe im Jahr 2000 zum ersten Mal gefastet und hatte einige Bedenken. Auslöser war ein Tandem-Fallschirmsprung, den ich geschenkt bekam und der nur mit einem bestimmten Gewicht möglich war. Im Vorfeld dachte ich, ich werde hungrig sein, mich schlapp fühlen und danach einen Urlaub nötig haben, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch das Gegenteil war der Fall: so erholt, so kraftvoll wie nach dem Fasten hatte ich mich lange nicht mehr gefühlt. Ich war nicht nur körperlich erleichtert, sondern fühlte mich auch gereinigt und geistig klar, wie bei einem Neuanfang, hatte Lust etwas zu unternehmen, alles so umzustellen, dass mir mein Leben noch besser gefiel. Im Vergleich zu einem klassischen Urlaub ist Fasten wesentlich erholsamer, eine herrliche Regeneration. Damals begann ich mich intensiv mit dem Fasten zu beschäftigen, machte Ausbildungen zum Fastenleiter und nun bieten wir hier im Stift Geras das ganze Jahr über nahezu durchgehend Klosterfasten an.
Was macht das Klosterfasten so besonders und wie unterstützen Sie die Gäste?
Alexander Graffi: Die Teilnehmenden übernachten in einer klösterlichen Unterkunft, im Gästetrakt des Stiftes. Die Zimmer sind modernisiert und haben eigene Bäder, aber bieten mit den hohen, denkmalgeschützten Räumen mit Parkettboden viel Flair. Die Gäste leben innerhalb des Klosters, können an den Gebetszeiten teilnehmen und mit den Geistlichen ins Gespräch kommen. Das gemeinsame Fasten in der Gruppe macht ebenfalls viel aus. Ich versuche, die Fastenden darauf vorzubereiten, wie man mit Veränderungen während des Fastens umgeht. Man wird langsamer beim Fasten, hat nicht die normale Kraft. Dagegen sollte man nicht ankämpfen. Meist gibt es zu Beginn auch einen Tag, an dem es einem nicht so gut geht. Jeden Abend gebe ich Tipps, die den Teilnehmenden eventuelle Beschwerden wie Kopfschmerzen erleichtern können. Auch auf die Zeit zuhause, nach dem Fasten, bereite ich die Gäste intensiv vor. Denn diese erfordert oft mehr Disziplin als das Fasten selbst. Eine Woche sollte man zuhause noch leichter essen und aufhören, wenn man satt ist, was leider recht schnell der Fall ist.
Welche positiven Auswirkungen des Fastens bleiben zuhause lange erhalten?
Alexander Graffi: Zunächst ist es eine große Befreiung, dass man durchgehalten hat. Alle Teilnehmenden sind hier, weil sie gerne essen. Das Fasten zeigt, dass man viel weniger braucht, als man denkt, dass man sich auch über einfache Dinge und Speisen freuen kann, das stärkt das Grundvertrauen. Für viele Menschen ist das Fasten auch eine Motivation, ihre Ernährung umzustellen. Die Langsamkeit während des Fastens wandelt sich in Gelassenheit, die noch sehr lange anhält. Ich habe auch Menschen erlebt, die überhaupt nicht sportlich waren, aber von der Bewegungsfreude, die beim Fasten von alleine entsteht, gepackt wurden und einen wahren Bewegungsdrang entwickelten. Sie wollten bei unseren Wanderungen immer noch weiter gehen.
Sollte man öfter fasten?
Alexander Graffi: Ich empfehle es regelmäßig, einmal im Jahr. Wobei es in einer Gruppe und abseits der eigenen vier Wände und begleitet wesentlich besser ist. In unseren Gruppen sind meist die Hälfte Wiederholer.